Seit April 2024 ist das neue Cannabis-Gesetz (CanG) in Kraft – eine Veränderung, die auch die Arbeit der Polizei in Ostfriesland beeinflusst. Stephan Zwerg, Leiter der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund, zieht nach zehn Monaten eine gemischte Bilanz.
Weniger Verfahren wegen Cannabis-Besitzes
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 2023 gab es in der Region noch 419 Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes von Cannabis. 2024 sank diese Zahl auf nur noch 119 Fälle – ein Rückgang von etwa 71 Prozent. Diese Entwicklung zeigt, dass sich das neue Gesetz bereits auf die Polizeiarbeit auswirkt. Volljährige dürfen nun bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit besitzen, was zu weniger Strafanzeigen führt. Trotzdem muss die Polizei in Zweifelsfällen das Gewicht des mitgeführten Cannabis nachprüfen.
Schwarzmarkt bleibt ein Problem
Trotz der neuen Regeln bleibt der Schwarzmarkt für Cannabis in Ostfriesland groß. Das liegt unter anderem daran, dass es in der Region bisher kaum legale Anbaumöglichkeiten gibt. Der Cannabis Social Club (CSC) „Grüner Anker“ in Emden ist der einzige, der bisher offiziell anbaut. Ein weiterer Club, der CSC Ostfriesland, befindet sich noch in der Gründungsphase und produziert bislang kein eigenes Cannabis. Viele Menschen trauen sich außerdem nicht, selbst anzubauen, da es dafür Erfahrung und technisches Wissen braucht. Deshalb kaufen viele Konsumenten ihr Cannabis weiterhin illegal.
Die Polizei beobachtet außerdem, dass sich der Handel mit anderen Drogen nicht verringert hat. Im Gegenteil: Besonders der Konsum von Kokain nimmt in Ostfriesland zu. Zwerg erklärt, dass große Mengen Rauschgift über das Meer geschmuggelt werden und immer wieder Pakete an den Küsten angeschwemmt werden.
Junge Menschen unterschätzen die Risiken
Ein weiteres Problem sieht die Polizei im Umgang junger Menschen mit Cannabis. Zwerg berichtet, dass durch die Teillegalisierung der Eindruck entstehen könnte, dass Kiffen harmlos ist. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass regelmäßiger Konsum in jungen Jahren psychische Folgen haben kann. Deshalb setzt die Polizei verstärkt auf Aufklärung und Prävention, insbesondere an Schulen. Zwerg warnt: „Das Bewusstsein für die Gefahren hat abgenommen – und das bereitet uns Sorgen.“
Mehr Drogentests im Straßenverkehr
Ein Bereich, in dem die Polizei mehr Arbeit hat als zuvor, ist der Straßenverkehr. Immer häufiger werden Fahrer unter Drogeneinfluss erwischt. In solchen Fällen wird eine Blutprobe genommen, aber die Auswertung dauert oft drei bis vier Wochen. Erst danach kann entschieden werden, ob eine Strafe verhängt wird. Zwerg kritisiert, dass dieser Prozess nicht nur zeitaufwendig, sondern auch teuer ist.
Unsicherheiten beim öffentlichen Konsum
Cannabis darf nicht überall konsumiert werden. In bestimmten Bereichen wie in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen ist der Konsum verboten. Doch die Kontrolle dieser Verbotszonen ist für die Polizei schwierig, da es an Personal mangelt. Auch Veranstalter von Festen und Märkten haben oft Fragen zu den Regeln. Sie können Verbote nur durchsetzen, wenn sie das Hausrecht für die Veranstaltung von der Gemeinde übertragen bekommen. Ansonsten ist der Konsum auf öffentlichen Plätzen erlaubt, solange keine Kinder oder Jugendlichen in der Nähe sind.
Einige Gaststätten, in denen Rauchen erlaubt ist, haben ebenfalls Probleme mit Gästen, die dort Cannabis konsumieren möchten. Die Inhaber können das jedoch untersagen und mit Schildern darauf hinweisen.
Ein Gesetz im Wandel
Die Polizei erhält oft Hinweise aus der Bevölkerung, wenn jemand Cannabis konsumiert. Doch nicht immer liegt dabei ein Gesetzesverstoß vor. Zwerg betont, dass sich nicht nur die Polizei, sondern auch die Menschen in der Region erst an die neuen Regeln gewöhnen müssen. Das Cannabis-Gesetz ist zunächst auf vier Jahre angelegt und wird danach ausgewertet.
Ob die Teillegalisierung langfristig erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Zwerg sieht es aber positiv, dass neue Wege ausprobiert werden, da die frühere Drogenpolitik ebenfalls nicht die gewünschten Erfolge gebracht hat.